Monatsspruch Juni 2025
„Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.“
Apostelgeschichte 10,28 (E)
Liebe Lesende, liebe Freund:innen, liebe Geschwister im Glauben!
Wir befinden uns mitten in der Apostelgeschichte und dennoch ganz am Anfang der christlichen Kirche. Es ist ein epochaler Wendepunkt in der Missionsgeschichte. Der Protagonist ist Petrus, Apostel, Säule in Jerusalem. Ein Jünger Jesu voll Feuer von Anfang an. Jemand der drauflos geht – manche würden sagen: Mit dem Kopf durch die Wand. Niemand der sich zu viel Sorgen um soziale Konventionen macht. Trotzdem gibt es einen fast unüberwindbaren Graben, der sich der jungen Kirche aufspannt. Bis jetzt haben sie ein klar festgesetztes Missionsziel: Das jüdische Volk. Das ist nur natürlich: Sie selbst bestehen ja auch alle aus Menschen aus dem jüdischen Volk.
Das macht das Leben auch leichter: Der kulturelle Graben zwischen dem jüdischen Volk und den heidnischen Völkern war offensichtlich und spürbar. Speisevorschriften und bestimmte Festtage zogen eine klare Kante zu anderen Völkern, es waren sog. cultural identity marker. Sie ermöglichten keinen leichten Austausch zwischen den Völkern. Jüdische Familien aßen kein Fleisch, das einem anderen Gott geopfert oder geweiht wurde, das machte dann schon das gemeinsame Essen fast zu einem Ding der Unmöglichkeit. Diese Unterschiede sind dabei nicht nur kognitive Lehrdifferenzen, sondern haben mit Lebensweisen und Gewohnheiten zu tun. Diesen Graben zu überspringen, erfordert Mut, Selbstüberwindung. Vermutlich war Schweinefleisch essen für jüdische Menschen mit ähnlichen Emotionen verbunden wie vielen Deutschen das Essen von Hühnerfüßen – die in Asien als Delikatesse gelten.
In Apg 10 begegnet Petrus diesem kulturellen Graben. Gott schenkt ihm eine Vision, wo vom Himmel herab ein Tuch mit Tieren herabkommt, auch mit Tieren, die nach geltendem jüdischem Gesetz klar als unrein gelten. Petrus verweigert das Essen erst, aber Gott entgegnet: „Was Gott rein gemacht hat, das sollst du nicht unrein nennen“ (Apg 10,15). Diese Vision fordert Petrus heraus, über die eigenen kulturellen und religiösen Grenzen hinauszublicken. Bei dieser abstrakten Lernerfahrung bleibt es aber nicht: Es klopfen Römer an seine Tür, Petrus soll mit nach Cäsarea ins Haus des Hauptmann Kornelius kommen. Dem intellektuellen Umdenken sollen jetzt auch Taten folgen, die Herausforderung kommt an Petrus‘ Türschwelle. Allein das Haus eines römischen Hauptmanns zu betreten, gilt als unrein und dennoch wagt Petrus diesen Schritt, denn er sagt: „Mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.“ Im Haus des Kornelius predigt Petrus das Evangelium und während er spricht, fällt der Heilige Geist auf alle Anwesenden und Petrus tauft sie.
Diese Geschichte begeistert mich, weil Gott Petrus hilft, seine kulturellen Vorurteile zu überwinden, er nimmt ihn fast mit an die Hand: Er öffnet ihm erst auf kognitiver Ebene durch eine Vision die Augen, dann führt er seine Hand hin zur Begegnung mit dem Haus des römischen Hauptmanns. Im Haus bewegt er Petrus‘ Herz als er merkt, dass der Heilige Geist auch auf die Heiden fällt. Gott nimmt den ganzen Petrus mit und eröffnet damit der Welt das Evangelium. Wie viele Menschen würden heute nicht die Botschaft von Jesus Christus gehört haben, wenn nicht Petrus Augen, Hand und Herz für Menschen geöffnet hätte, die ihm doch so fremd waren.
Mich ermutigt das auch für heute! Gottes Auftrag an uns lautet, in die Welt zu gehen und das Evangelium zu verkünden – in Wort und Tat. Dafür müssen wir nicht mal weit gehen. Im nächsten Umfeld gibt es Menschen, denen wir die gute Botschaft von Gottes Friedensreich hörbar und erlebbar machen können – ihnen das Evangelium gönnen können (Karl Barth KD I,2,488). Das erfordert aber, dass auch wir kulturelle Fremdheitserfahrungen überwinden können, uns auf neue Menschen und ihre Kulturen einlassen können. Gerade für so eine Offenheit für andere Menschen zugunsten des Evangeliums, will ich offene Augen, Hände, Herz und Mut haben. Möge Gott es schenken.
Carl Heng Thay Buschmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Rektoratsassistent der Theologischen Hochschule Elstal