Editorial 01. November 2020

Gott spricht: Sie werden weinend kommen, aber ich will sie trösten und leiten. (Jeremia 31,9)

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gemeinde,

dieser kurze Vers wirkt zeitlos. Er trifft heute noch direkt ins Herz. Ein Wort für das Volk Israel, seit langer Zeit. Es hatte sein Zuhause verloren, irrte umher, die Gemeinschaft untereinander war kaum möglich, der nahe Gott wirkte so fern. Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit waren bestimmend.

Wir können uns in diese Befindlichkeit hineinversetzen. Es ist auch unsere. Die Gegenwart hat eine äußere Entsprechung. Unsere innere Situation gleicht dem. Durch die Pandemie sind wir alle, weltweit, zur Vereinzelung und zum Abstand halten voneinander gezwungen. Das betrifft auch unsere Frömmigkeit. Der nahe Gott wirkt so fern. Was wird werden?

Ist es zulässig, angemessen, Verheißungen Israels als Worte für uns zu verstehen? Gott hatte seinem Volk einen neuen Bund angekündigt. Zur gegebenen Zeit wird Gottes Gesetz ins Herz gegeben und in den Sinn geschrieben sein. Wann wird das sein? Und wann wird Israel zurückkehren und miteinander und bei Gott wohnen?

Durch Jesus Christus glauben wir, dass es als Einladung hinzuzukommen für alle Welt, für jeden Menschen gemeint ist: sich einpflanzen zu lassen in Gottes Volk. Sein Geist soll in unserem Herzen wohnen und unseren Sinn erfüllen.

Nun ist es offensichtlich, dass zwar der Same gesät, die Saat aber noch nicht aufgegangen ist. Um es mit einem Wort Jesu zu sagen: Das Himmelreich ist wie ein überaus kleines Samenkorn mitten unter uns, in uns, wächst – und ist doch nicht zu fassen. Es entzieht sich unserer Verfügung – und ist doch so verfügt, als Verheißung und Trost. Gott will uns leiten.

Tatsächlich kommen wir wein end. Weil wir an der sozialen Distanz leiden. Und daran, dass wir viel zu oft Gott und seine Liebe zu allen Menschen weder im Sinn noch im Herzen noch in unserem Handeln haben. Es ist noch kein Friede in Israel und unter den Menschen. Da ist noch etwas offen. Zu oft verfehlen wir unser Ziel. Das ist zum Heulen. Tränen haben wir auch deshalb in den Augen, weil unsere Sehnsucht nach dem nahen Gott uns so sehr schmerzt. Wir wissen nicht, was kommt. Aber wir glauben daran, dass er uns ans Ziel bringt. Er trägt uns durch die Zeit der Einsamkeit. Wenn wir nachts wach liegen, wissen wir, dass der Hüter Israels auch nicht schläft noch schlummert.

Peter Jörgensen